MAIL ART-BRAIN CELL-FRACTAL ( Kunst Per Post - Gehirnzelle - Fractal ) |
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RYOSUKE COHEN |
Vor 15 Jahren erhielt ich einen Scarabaus-Kafer von Ruggero Maggi in Italien, anstatt einen Brief zu schreiben - ein Kafer oder Schmetter- ling mit bunten Flugeln, der Kinder erfreut. Das Insekt war voll von Schmutz und in einem durchsichtigen Umschlag eingeschlossen. Ich errinnere mich immer noch an den Tag danach, als ich mit Byron Black bis tief in die Nacht uber Maggi's starke Kunstidee redete,die vom AMAZONAS inspiriert war. Black lehrte in diesen Tagen Video-kunst an einer japanischen Kunstschule, er gab mir den Rat, meinen Namen COHEN wie im Judischen zu buchstabieren und nicht wie im Japani- schen richtig KOUEN, ich bin Japaner und 1948 in Osaka geboren.
 Am Amazonas, in Sudamerika, leben viele Arten kleiner Lebewesen, die voneinander abhangig sind, Ameisen, kleine Insekten, die sich unter abgefallenen Blattern verstecken, unter Farnen und in parasitaren Flechten auf groben Baumen,Schimmelpilze, die auf geschlagenem Holz heimischsind, zusammen mit Risenbaumen, Tieren oder Vogeln. Alles zusammen ergibt das Antlitz eines tropischen Waldes.
Der Mensch jedoch hat schrittweise die Erkenntnis gewonnen, zwischen nutzlichen und unnutzen Dingen zu unterscheiden. Wir unterscheiden zwischen groben Baumen fur den Hausbau und kleineren Baumen, wir unterscheiden zwischen Essbarem und nicht Essbarem, wir machen Unter- schiede zwischen Vogeln und Fischen, die gut als Haustiere geeignet sind und Anderen, die nicht dafur geeignet sind.
Diese Attitude, uberall Unterschiede zu erkennen, ist mit eine Ursache fur die Zerstorung der Natur im Kleinen und besonders bei den Grundlagen des Okosystems am Amazonas. Diese negative Tendenz ist heute uberall in Erscheinung getreten, nicht nur im Fall des Amazonas-Regenwalds, sondern uberall auf nuserem Planet.
Uiese Attitude der Unterscheidung hat hier in Japan furchterliche Fluten in der Taifunsaison verursacht. Starke Regenschauer haben die Wurzeln der Zedern und Hinokibaume freigespult, das Wasser fuhrt zu riesigen berschwemmungen. Im Fruhling haben viele von uns Heu- schnupfen. Die Ursache liegt in der Schwacahung unseres Immunsystems. Wir sind fur diesen Mangel selbst verantwortlich, wir pflanzten nur Koniferen auf der Erde und unser Lebensstil ist mit zuviel Sauberkeit belastet. Fur die Losung des Problems schlagen einige Arzte vor, dass wir Parasiten in useren Korpern halten, um die Immunisierung wieder zu erneuern.
 Wir haben unseren Lebensstil in die Richtung reich und bequem verandert, indem wir viele Dinge zur Seite geschoben haben, die wir bis jetzt noch gar nicht bemerkt haben. In diesem Zusammenhang verlieren wir, oder haben bereits tatsachlich viele Dinge verloren, die unser Leben gehaltvoll, reichhaltig und angenehm gestaltet haben. Wir sind umgeben von sozialen Problemen, Jugend- Kriminalitat und Diskriminierung von nationalen Minderheiten in Verbindung mit okologischen Problemen. In der Kunstwelt ist es auch nicht anders, die Leute unterliegen den gleichen Trends wie oben bereits erwahnt. Sie haben finanzschwache Organisatoren von aussergewohnlichen Galerien und Kunstausstellungen verdrangt.
Sie haben sogar den Sinn, das Gefuhl fur die Kunst bei Schulkindern deformiert, bedingt durch das rigide Schulsystem, selbst ihre kÜEst- lerische Geschicklichkeit bedeutet heute nicht mehr viel. Sie haben ganauso der Bedeutung euro-amerikanischer Werte in der Kunstkritik zuviel Platz eingeraumt.
In den letzten 100 Jahren hat der Planet die Halfte des gesamten Waldes fur die Weiterentwicklung unseres Lebens verloren. Nun stehen wir vor globalen Umweltproblemen wie saurer Regen, das Ozonloch, Klimaerwarmung usw. In dieser Zeit errinnert uns Ruggero Maggi's Kunstprojekt AMAZONAS daran, wirklich neu mit unsere Kunst zu beginnen.
In der Mail Art erweitert sich das Netzwerk von A nach B, B nach C, C nach D, D nach A, C nach A, usw. Es ist nicht beschrankt auf das Ansehen, auf Kommunikation durch direktes Anschauen. Es ist nicht nur so, dass Du etwas auf die Post collagieren kannst, die Du erhal- ten hast und diese Post wieder zurucksenden, nein Du kannst auch die Ideen von anderen wieder in Deine eigene Post ubernehmen. Als eir ganzer Korper gesehen, erscheint das Netzwerk wie eine Gehirnkon- struktion mit unzahligen Zusammenstellungen und komplizierten Nerven- zellen, die nicht in einer linearen Ordnung zueinander stehen. So hade ich diesen Kunststil BRAIN CELL genannt, und habe seit Juni 1985 die Mail Art um neue Formen erganzt. Heute sind wir mehr als 5000 Mil glieder der Mail Art-Szene aus mehr als 80 Landern, und die Postein- gange hatten eine Anzahi bis zu 442 Sendungen, wie im Marz 1999.
 Ich habe ein neues Wort eingefuhrt, COPY LEFT, das bedeutet- frei vom COPY RIGHT, diese Bezeichnung auf Briefumschlage gestem- pelt und diese Stempelabdrucke in alle Welt verschickt. Jeder kann es machen, wie ich es tat, die Stempelabdrucke, Briefmarken und Aufkleber von anderen Kuntlern verwenden, jeder kann seine eigenen Konzepte, Gedanken durch Druckmedien verbreiten. Erganzend dazu kannst Du, wie Du es willst mit anderen Teilen erganzen, alles in einer Collage verwenden und an andere Kunstler weitersenden. Auf die- se Weise andert die Mail Art haufig ihre Erscheinungsform und ihre Konzeption in unvorstellbarer Art, die ein individuell arbeitender Kunstler kaum so erschaffen konnte.ANDREJ TISMA und NENAD BOGDANOVIC sandten mir den Stempel NO-ISM aus Jugoslawien. NO-ISM bddutet, dab es keine Ideologie in der Welt der Mail Art gibt. NO bedeutet im Japanischen GEHIRN (engl. brain). So verwende ich den Doppelsinn von NO in der Bedeutung von Nicht- Existenz und Gehirn, ich habe NO-ISM Stempelabdrucke als Stempel- aufkleber in alle Welt versandt, manchmal auch wieder zuruckerhalten. In meinem alltaglichen Loben erhalte ich sehr gern viele verschiedene Arten von Material, Postkarten, Fotokopien, Collagen, Zeichnungen, Computergrafiken, Ausstellungskataloge, Fotos und Tonbandkassetten per Post, FAX, E-Mail und Internet, Ich beobachte, dass in der umfang- reichen Welt der Mail Art jede Art von Ismus mehr in einer Art Chaos verschwindet. Kein Wunder, es uberlebt oder herrscht keine einzeln ausgerichtete Ideologie.
 Einst formulierte Ray Johnson in einem Statement, Mail Art ist keine einzelne Kunstbewegung, sondern ein Megatrend, der darin besteht, dass wir unser Bewusstsein verandern konnen.Vielen Kunstlern war das TOURISM-Konzept des Schweizer Kunstlers H.R.Fricker in der Tat sehr sympathisch. Ich hatte auch verschiedene Gelegenheiten zu reisen und habe Freundschaften mit vielen Mail-Art- Kunstlern geschlossen, als ich Europa 1987, Nordamerika 1989 und wiede Europa 1990 besuchte. So war ich in der Lage, die Trends der Mail Art zu erspÜEen und einen Uberblick uber die vielfaitige Situation mir zu verschaffen. Ich erhielt vollig andere Erfahrungen gegenuber denen zuhause, wenn ich mit mir selbst beschaftigt bin, Kunst herstelle oder Kunst arrangiere, im Gegensatz hierzu beim direkten Kontakt mit den befreundeten Kunst- lern mehr dazu lernte. Einige lebten in einer sehr naturlichen Art und Weise, andere waren sehr stark fur den Frieden sensibilisiert. Fur sie war es sehr wichtig, ihre Kunst sehr intensiv zu gestalten. Alle hatten irgendwelche finanzielle und politische Probleme, die Kommunikation per Post half ihnen bei der Bewaltigung der Probleme, das ergibt einen sehr positiven Aspekt der Mail Art. Ich empfand ihre Sicht der Dinge und ihre Wirklichkeit grundsatzlich verschieden von unserer japanischen Erfahrung.
Mit diesem TOURISM-Konzept erkannte ich wahrend der Reisen, dass sich die Wahrnehmung der Kunst und das Sehen des Kunstlers der Wirk- Iichkeit verandert. Das Ziel ist nicht wie der normale Tourismus mit seiner Sucht viele Platze und Sehenswurdigkeiten zu sehen.
 Die Deutschen ANGELA und PETER haben das TOURISM-Konzept weltweit in die Praxis umgesetzt, sie sandten mir Post aus der ganzen Welt.
Ich denke mir, dass ihre Erfahrungen weit uber unsere Vorstellungen zur Mail Art hinausgehen und Erkenntnisse fur die Zukunft bringen, die den Sinn dieser Kunst erklaren.Ich habe seit 1997 Post mit dem Konzept FRACTAL in Erganzung des bis jetzt gebrauchten Begriffs BRAIN CELL versandt. FRACTAL ist ein Begriff fur gleichartige Figuren aus visuellen Formen, die die visuelle Komponente mathematischer Rechenexperimente darstellen, vom Computer mit entsprechenden Programmen ausgedruckt, das wort wurde von dem franzosischen Mathematiker B. MANDELBROT im IBM Watson Institute gepragt. (Anfangs nannte man diese Visualisierungen deshalb auch Mandelbrot-Mannchen-Anmerkung des Ubersetzers Albrecht/d.)
 Picasso und Cezanne waren von afrikanischen Skulpturen beein- flusst, Van Gogh durch Hokusai und Hiroshige, Pollock durch Dali und Miro, so sind wir durch eine groere Zahl von bekannten Kunstlern beeinflusst, den Dadaisten und Fluxus. Ich unterrichte Kunst in einer Schule fur Kinder seit 25 Jahren. Schliesslich bin ich in die information, Erziehung der KInder eingebunden, es ist eine physische Herausforderung und ich bin auch von den Kindern stark beeinflusst.
In mir existieren Fragment jener Kunstler und der Kinder. Diese Dinge und die Originalfragmente des Denkens schliessen sich nicht aus, wie die Stacheln am Kaktus, sondern entwickeln alles zu einer noch grosseren Steigerung. Solch eine Sichtgibt mir ein echtes Gefuhl, dass ich an der Arbeit von anderen Kunstlern wirklich partizipiere, eine personliche Erfahrung frei von Bezugen zum Copy Right, die Organisation von Meisterwerken mit den Arbeiten anderer Kunstler, das bedeutet die Freiheit des Wortes COPY LEFT, ohne Verbindungen zu Ideologien zu haben, das ist der Begriff NO-ISM!
 Ich denke, wenn ich jeden Tag Mail Art herstelle, ist diese Mail Art ein dynamisches Medium. Besser ausgedruckt, diese Mail Art besteht nur aus Dynamik!
So Kannst Du mehr sein, als nur ein Individuum, in der Lage, frei die Kunst mit einem neuen Geist zu produzieren, besser noch, ein Bruchstuck des gesamten Netzwerks zu sein und diesen Anteil mit vielen anderen Kunstlern zu teilen.Marz 1999      RYOSUKE   COHEN
Deutsche Ubersetzung : Albrecht/d.
Ryosuke Cohen c/o Brain Cell
3-76-1-A-613 Yagumokitacho Moriguchi City Osaka 570 Japan
TEL&FAX ++81.6.6991.1507
E-mail : braincell@k6.dion.ne.jp